Wie ich dazu kam "Ich leb' so gern" zu initiieren

 von Ulrike Cordier

Als ich die Tagebücher meiner Tante Gerda M. Meyer abschrieb, war ich von Anfang an von der großen Vielfalt ihrer Eintragungen beeindruckt. Die Lebendigkeit und Lebensfreude, die aus ihren Aufzeichnungen sprechen, haben mich ebenso tief berührt wie das Grauen der Nazizeit, das vielleicht gerade durch die sachliche Aufzählung von Fakten eine realistische Deutlichkeit annimmt.

Während der Transliteration wurde mir schnell klar, dass ich dieses einzigartige Dokument für meine Kinder-und Enkelgeneration zugänglich machen möchte. Dazu scheint mir der Film ein geeignetes Darstellungsmedium. Ein Film in einer Form, die der Persönlichkeit meiner Tante entspricht, ein Film mit Gegenwartsbezug, denn Tante Gerda stand zu jeder Zeit mit beiden Beinen fest im (realen) Leben.

Für den historischen Aspekt eines solchen Films wünsche ich mir, dass Gerdas Notizen als eine Botschaft begriffen werden. Eine Botschaft, die uns in der heutigen Zeit dabei hilft, unseren Alltag gesund zu bewältigen. So wie
meiner Tante jegliche Moralisierung oder jeglicher Groll fernlagen, müsste auch dieser Film frei davon sein, jungen Menschen unsere Geschichte als Bürde aufzuerlegen oder Groll gegen Andersdenkende zu schüren.

Meine Vorfahren haben die Zeit des Nationalsozialismus als eine unsägliche Last erfahren. Unsere Aufgabe heute besteht aus meiner Sicht darin, diese Bürde nicht zu übernehmen, sondern historische Ursachen und Zusammenhänge zu verstehen, um sensibel für unsere aktuelle Geschichte zu werden und aus historischen Lebensbeispielen wie dem von Gerda M. Meyer Kraft für unser Alltagsleben zu schöpfen. Nur so können Folgegenerationen mit klarem Blick in die Vergangenheit ihre Zukunft lebenswert gestalten – ganz im Sinne meiner Tante, die noch im hohen Alter von über 90 Jahren fröhlich sagte: „Ich leb' so gern!".
 

„Man muss im Leben lernen, mit traurigen Erinnerungen zu leben ohne sich der Freude zu berauben."
aus einem Brief von Gerda M. Meyer am 30.08.1980